Unser verspieltes Schaf
Auf unserem Hof hatten wir außer einer Kuh, Schweinen, Hühnern und Gänsen auch ein liebes zahmes Schaf, das ein Halsband trug, damit meine Mutter es einfangen konnte.
Das Schaf war noch jung und es brachte ihm Spaß, mit uns Kindern zu spielen. Es brache ihm sowieso viel Spaß zu spielen, und so lief es, wenn wir Kindern keine Zeit hatten, zu den Nachbarn, die mehrere Schafe hielten, um sich mit seinen Kollegen zu amüsieren. Natürlich kamen die Nachbarsschafe auch auf Gegenbesuch - sie hatten ein Loch im Zaun entdeckt, durch das sie auf unsere Wiese kommen konnten. Bei uns gab es auch viel mehr Gras zu fressen! Aber außer unserem Schaf, das sich über seinen Besuch freute, waren die vielen wolligen Fresssäcke nicht willkommen, und so wurden wir Kinder los geschickt, die Herde wieder zurückzutreiben, sobald meine Mutter sie sichtete. Unser Schaf wollte natürlich bei seinen Kumpeln bleiben und so war es für meinen Bruder und mich immer ziemlich schwer, wieder Ordnung zu schaffen.
Beim nächsten Mal, als meine Mutter ein großes Schafs-Treffen auf unserer Wiese ausmachte, ging sie mit uns hinaus, um uns beim Wegtreiben der fremden Herde zu helfen. Wir bekamen unsere Aufgaben dabei zugeteilt: Sie würde unser Schaf am Halsband festhalten während ich mich um die anderen kümmern sollte. Mein Bruder sollte den heiklen Teil übernehmen, nämlich den Schafsbock, mit dem nicht unbedingt zu spaßen war, wenn es um seine Mädels ging! Diesen sollte er an den Hörnern festhalten.
Mein Bruder tat, wie ihm geheißen, aber auch er war nur ein kleiner Junge, und als der Schafsbock sah, dass meine Mutter unser Schaf am Halsband fasste, da platzte ihm der Kragen. Natürlich hatte er sich im nu losgerissen, stürzte auf unsere Mutter zu, die ihm den Rücken zudrehte und nichts böses ahnte, und stieß ihr mit seinen großen Hörnern aus vollem Lauf gegen die Kehrseite...
Unsere Mutter purzelte auf den Boden, und an Ordnung in der Herde war in diesem Moment natürlich nicht mehr zu denken. Der Schafsbock hatte ganze Arbeit geleistet.
Nachdem unsere Mutter sich von ihrem Schreck erholt hatte, schimpfte sie uns aus, dass wir besser hätten aufpassen müssen! Das zwei kleine Jungs gegen einen wütenden Schafsbock keine Chance haben, daran dachte sie in diesem Moment nicht...
Ich muss zugeben, dass es uns manchmal auch riesigen Spaß brachte, die Nachbarsschafe zu ärgern. Das taten wir auch, als gerade unsere Cousine Ursula bei uns zu Besuch war, und zwar so arg, dass sich die ganze Herde, angeführt vom stolzen Schafsbock, zusammentat und hinter uns herlief! Wir mussten flüchten und uns blieb nichts anderes übrig, als auf die nächsten Bäume zu klettern, die auf unserer Wiese standen.
Das war nicht das erste Mal, das wir es so weit getrieben hatten und auf den Bäumen saßen, aber gerade heute hatten sich die Schafe gegen uns verschworen und ließen uns nicht wieder herunter. Sie hatten ja auch alle Zeit der Welt. Das schlimme daran war nur, das uns heute die Zeit fehlte, da unsere Cousine bald mit dem Zug wieder nach Hause fahren sollte... und inzwischen hatte sogar schon ihre Schwester Vera nach ihr gerufen, sie solle sich beeilen...
Erst auf der allerletzten Minute, als hätten die Schafe Mitleid, ließen sie uns wieder frei. Ursula kletterte vom Baum und lief, so schnell sie konnte, quer über die Felder zum Bahnhof. Und sie hatte Glück und erreichte den Zug noch - aber nur, weil dieser gerade an dem Tag Verspätung hatte...