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Der Schimmelreiter

Meine Lehre hatte ich abgeschlossen und mir eine neue Arbeitsstelle auf einem Gut besorgt. Dieses Gut lag ziemlich weit von den Ortschaften entfernt und war zu damaliger Zeit am besten mit einem Fahrrad zu erreichen.

Öffentliche Verkehrsmittel fuhren hier nur selten oder gar nicht.

 

An den Wochenenden war es hier sehr langweilig und ich besuchte meistens meine Eltern. Um den langen Weg abzukürzen benutzte ich auch Feldwege, die bei Regenwetter meistens aufgeweicht und rutschig waren.

 

Sonntagsabends, bevor es anfing zu dämmern, machte ich mich dann wieder auf den Weg zu meiner Arbeitsstelle.

 

Auf einer meiner Fahrten hatte ich mich verspätet und es war schon recht dunkel geworden. Auf einem Feldweg konnte ich nur sehr langsam fahren und hatte wegen der geringen Umdrehungszahl des Dynamos nur spärliches Licht von der Lampe.

Ich hatte gerade die Zufahrt eines Feldes erreicht, da kam plötzlich ein Pferd mit einem Reiter heraus gestürmt.

Vor Schreck wäre ich fast vom Rad gefallen.

 

Die ganze Woche über beschäftigte mich nur noch eine Frage, warum bringt ein Reiter Leute so leichtsinnig in Gefahr?

 

Am nächsten Wochenende berichtete ich meinen Eltern von meinem Erlebnis. Sie hörten sich meinen Bericht an und sahen sich beide an. „Das war bestimmt der Schimmelreiter“, sagte mein Vater. „In dem Ort Felde, durch den du fährst, treibt offensichtlich ein junger Mann sein Unwesen. Am späten Abend, bei Dunkelheit, klopft ein fremder Mann bei den Leuten, die nahe des Feldweges wohnen, an die Fensterscheiben. So bald diese die Haustüre öffnen springt er auf sein Pferd und reitet davon. Die ängstlichen Anwohner mochten bei Dunkelheit schon nicht mehr aus dem Haus.

Diese Neuigkeit hatte mein Vater von seinen Arbeitskollegen erfahren.

 

Nach einigen Wochen wurde der Schimmelreiter entlarvt.

Auf einem nahegelegenen Gut hatte sich ein Melkergehilfe einen Spaß daraus gemacht Menschen zu erschrecken.

Bei Dunkelheit holte er sich heimlich ein Pferd aus dem Stall und ritt damit auf seine Streifzüge.

Eines Tages musste der Gutsvogt noch in den Stall und bemerkte, dass ein Pferd fehlte. Auch er hatte schon von dem angeblichen Schimmelreiter gehört und schöpfte gleich einen Verdacht. Er lauerte solange bis der Melkergehilfe das Pferd wieder in den Stall brachte. Man stellte ihn zur Rede und er gab auch alles zu.

Ihm wurde fristlos gekündigt, die betroffenen Leute hatten ihre Ruhe und ich konnte wieder unbesorgt den Feldweg befahren.

 

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