Ankunft in Groß Vollstedt
Nach circa drei Wochen im April kamen wir in Schleswig-Holstein an. Unser letzter Halt war in Klein-Kummerfeld bei Neumünster. Hier bekamen wir Bescheid, in welchem Ort wir bleiben sollten. Einige Bekannte und wir durften nach Groß-Vollstedt fahren. Hier angekommen wurden wir freundlich empfangen. Wir durften die erste Nacht bei einem Bauern in einem Heustall schlafen. An kommenden Tag wurden die Familien aufgeteilt. Für meine Mutter, uns Kinder und die Cousine war ein Zimmer in einem Einfamilienhaus bereitgestellt. Die Besitzerin begrüßte uns freundlich und nahm meine Mutter in die Arme. Die Nachbarn hatten Möbel für uns bereitgestellt. Eine Nachbarin hatte einen großen Topf Suppe für uns gekocht, die uns hervorragend schmeckte. Endlich hatten wir wieder eine Bleibe. Jeder, die Flüchtlinge und auch die Einheimischen, glaubten, dassdieser Aufenthalt nur für ein paar Monate sei. Doch nach einer gewissen Zeit wurde davon gesprochen, dass es kein Zurück für die Flüchtlinge mehr gab. Und jetzt begann eine schwere Zeit für uns. Die Hausbesitzerin wolle ihr Zimmer wieder haben und meinte, wir sollten uns eine andere Bleibe suchen, was für uns unmöglich war. Auch die Nachbarn wollten ihre Möbel wieder haben. In der ersten Zeit mochte ich nicht raus, denn ich konnte die Sprache schlecht verstehen. Hier wurde das Schleswig-Holsteinische Plattdeutsch gesprochen, ich hingegen konnte nur das Pommersche Plattdeutsch. Meiner Mutter wurde verboten den Herd in der Küche weiter zu benutzen, so konnte sie für uns nichts mehr kochen. Bekannte Flüchtlinge gaben meiner Mutter den Rat sich bei der englischen Besatzung Rat zu holen. Sie nahm allen Mut zusammen und ging mit meiner Cousine nach Gut Emkendorf zu den Engländern. Hier hat sie ihr Anliegen vorgetragen und bekam auch zugesagt, man würde ihr helfen. Es ging dann eine Beschwerde beim Bürgermeister ein, der dafür zu sorgen hätte, dass meine Mutter wieder eine Kochgelegenheit bekam. Die Hausbesitzerin bekam Order, meiner Mutter für 1½ Stunden das Kochen zu gewähren. Nun durfte meine Mutter täglich ab 2 Uhr den Herd benutzen, jedoch hatten wir wieder ein Problem, denn wir hatten keine Uhr. Ich musste nun immer zu den Nachbarn gehen und nach der Uhrzeit fragen. Wenn meine Mutter zum Kochen dann in die Küche gelassen wurde, war das Feuer im Herd erloschen. Es musste neu entfacht werden und dieses dauerte geraume Zeit, welche die Kochzeit verkürzte. Dieser Zustand dauerte ein paar Monate, bis eine Änderung eintrat. Meiner Mutter wurde erlaubt länger in der Küche zu bleiben. In dem Herd war noch Feuer und meine Mutter konnte gleich mit dem Kochen beginnen. Die Besitzerin sprach auch wieder einige Worte mit meiner Mutter. Als Gegenleistung durfte unsere Mutter nun für sie nähen und stricken, denn die Besitzerin behauptete steif und fest, sie hätte sich mit der Nadel erzürnt. Nach einigen Jahren hatte man sich aneinander gewöhnt. Das miteinander Leben wurde erträglich. Ich durfte sonnabends für die Hausbesitzerin den Hofplatz harken und bekam dafür eine Schnitte Schmalzbrot, welches mir immer sehr gut schmeckte. Ich hatte mich auch mit den Nachbarskinder angefreundet und konnte mit denen spielen. Meine Brüder und ich gingen in Groß-Vollstedt zur Schule und ich machte auch meine Lehre dort. Meine Eltern wohnten in Groß-Vollstedt bis zu ihrem Tod. Sie hatten eine eigene Wohnung zu ebener Erde wie ein kleines Haus, einen großen Garten mit eigenem Gemüse, ein paar Hühner, Kaninchen und einen Dackel namens Raudi. Mit ihren Nachbarn haben sie sich gut verstanden. Nur Parpart haben sie nicht wieder gesehen.
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